Brand, Verkehrsunfall oder Tierrettung – wer in Deutschland die 112 wählt, kann sicher sein, dass in kürzester Zeit die Retter zur Stelle sind. Im Notfall verlässt sich jeder auf die Feuerwehr –
und damit in den allermeisten Fällen auf Ehrenamtliche, die in ihrem eigentlichen Leben zum Beispiel Bäcker, Verkäufer, Anwalt, Automechaniker und Lehrer sind. Oder promovierte Bauingenieure, so wie Peter Walsh, der das Immobilienmanagement der Röchling-Gruppe in Mannheim leitet.
Wird in Deutschland ein Notruf abgesetzt, landet dieser bei der nächstgelegenen, rund um die Uhr besetzten Leitstelle, die die Alarmmeldung in Windeseile nach Dringlichkeit kategorisiert – ein Brand ist anders zu handhaben als eine Katze auf dem Baum. Dann werden die freiwilligen Feuerwehrleute über einen Funkmelder alarmiert – ganz gleich, ob sie gerade an ihrem Arbeitsplatz, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Joggen sind oder nachts im Bett liegen. Zusätzliche Textmitteilungen, die über einen digitalen Meldeempfänger eingehen, liefern detailliertere Informationen, worum es bei dem Notfall genau geht. Jeder alarmierte ehrenamtliche Helfer entscheidet dann, ob er eine Teilnahme am Einsatz ermöglichen kann. Wichtig ist am Ende nur, dass genügend Feuerwehrleute tatsächlich ausrücken.
„Einen echten Engpass habe ich noch nie erlebt“, sagt Peter Walsh, Feuerwehrmann seit mehr als 25 Jahren. Sollte dies doch einmal der Fall sein, werde nachalarmiert: Weitere Wehren kämen dann zum Einsatz. Walsh ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Landstuhl, der insgesamt mehr als 70 Feuerwehrmänner und -frauen angehören, die in den Bereichen Brandbekämpfung, technische Hilfeleistung und Umweltschutz ausgebildet sind.
Die Wehreinheit ist in zwei Alarmzügen organisiert – nachts hat nur ein Zug Bereitschaft, tagsüber beide. Nach der Alarmierung fahren die Feuerwehrleute zur Wache, legen ihre Schutzausrüstung an, besetzen die Fahrzeuge und rücken aus.
Walsh, dessen Vater aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn stammt und der in Kaiserslautern geboren wurde, kam mit 16 Jahren über Freunde zur Freiwilligen Feuerwehr. „Ein Kindheitstraum war das zwar nicht, aber die Feuerwehr hat sich über die Jahre hinweg zu einer echten Passion entwickelt“, berichtet der 43-Jährige. Er war Jugendgruppenleiter, Kreisausbilder, absolvierte auch seinen Wehrersatzdienst bei der Feuerwehr und ist heute Führungskraft im Einsatzdienst. Das heißt: Wenn die Mannschaft mit ihm ausrückt und kein Ranghöherer vor Ort ist, entscheidet Walsh, was zu tun ist.
Bei den Einsätzen geht es extrem strukturiert zu – jeder Griff muss sitzen, und jeder muss wissen, was er tut. Auch für den Einsatzleiter
ist die Vorgehensweise klar geregelt. Erstens: Lagefeststellung – dazu gehört eine sogenannte 360-Grad-Erkundung. Zweitens: Planung der Vorgehensweise inklusive Beurteilung der möglichen Gefahren und der taktischen Gegenmaßnahmen. Drittens: Entschluss und Befehl. „Mit dieser recht simplen Formel lassen sich selbst komplexe und schwierige Lagen bewältigen. Und sie hilft meines Erachtens durchaus auch in anderen Bereichen als der Feuerwehr dabei, einen kühlen Kopf zu bewahren“, sagt Walsh.
Und ein solcher kühler Kopf ist bei einem Einsatz laut Walsh besonders wichtig. Denn unter Stress werde nur ein Bruchteil des tatsächlichen Wissens abgerufen. Auch Angst sei kein guter Ratgeber. Die Feuerwehrleute seien geschult, mit dem möglichen Auftreten von Panik professionell umzugehen. Walsh selbst kennt nach eigenem Bekunden beim Ausrücken keine Angst, hat aber Respekt. Sorgfältige Abwägung, Schnelligkeit, Verlässlichkeit und Teamgeist seien weitere wesentliche Kriterien für erfolgreiche Einsätze. Bei diesen werde immer mindestens truppweise zu zweit vorgegangen. „Auf seine Kollegen muss man sich zu jedem Zeitpunkt unbedingt verlassen können. Natürlich hat jeder seine Stärken und seine Schwächen, seine Expertise oder auch mal seine Lücken. Wenn es jedoch darauf ankommt, zählt das Vertrauen.“
Für Walsh sind Vertrauen und Verlässlichkeit zentrale Werte, auch abseits der Feuerwehr. Beim Notfalleinsatz müsse die Mannschaft dem Einsatzleiter vertrauen, der Einsatzleiter aber auch der Mannschaft – vor allem in buchstäblich brenzligen Situationen. Sicher und verlässlich müssen auch die technischen Geräte sein. Von ihnen können Menschenleben abhängen – das eigene und das von anderen. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe eine enorme Weiterentwicklung der Technik stattgefunden, sagt Walsh.
Neben den eigentlichen Einsätzen absolvieren die Feuerwehrleute zahlreiche Übungen, Schulungen und Trainings, auf lokaler Ebene genauso wie auf Kreis- und Landesebene. Vor Ort werden die Feuerwehrleute beispielsweise zu Atemschutzgeräteträgern, Maschinisten oder Funkern ausgebildet. An der Landesfeuerwehrschule Rheinland-Pfalz in Koblenz finden Fach- und Führungslehrgänge statt, zum Beispiel zum Gruppen-, Zug- oder Verbandsführer. Walsh hat an verschiedenen Führungslehrgängen teilgenommen. Das alles macht man aber nicht mal nebenher, das kostet Zeit. Mit Familie, Arbeit und Hobbys lässt sich die Feuerwehr teilweise nur schwer vereinbaren. „Es gilt, die richtige Balance zu finden“, sagt Walsh, der verheiratet ist, drei Kinder hat und in seiner Freizeit gerne joggt, Snowboard fährt, taucht und Fußball spielt. Klar ist für ihn eines: „Feuerwehr ist mehr als ein Hobby. Das muss man leben.“ Denn wer sich der Feuerwehr verschrieben hat, muss sich darüber im Klaren sein, dass jede Nacht oder tagsüber am Arbeitsplatz der Melder einen Alarm auslösen kann.
Bei Umfragen zum Ansehen von Berufen schneidet die Feuerwehr regelmäßig mit am besten ab. Mit dieser Verantwortung müsse man als Feuerwehrmann und damit Ehrenbeamter sorgsam und verantwortlich umgehen, findet Walsh. „Die Menschen verlassen sich darauf, dass wir ihnen professionell helfen und wissen meist gar nicht, dass die meisten von uns Ehrenamtliche sind. Sie vertrauen unserer Organisation. Und auf diese bin ich stolz.“